Schaffen wir die richtigen Voraussetzungen für Generation Alpha?

Mit dem Jahrgang 1966 gehöre ich zur Generation X. Andere Vertreter sind um die 40, die älteren schon kurz vor der Rente. Meine Kindheit und die Ausbildungsjahre waren eher „analog“, wie man heute so schön sagt, auch wenn ich in der Lehre schon Programmieren lernte. Vom Thema Internet waren wir dennoch noch weit entfernt. Als Beispiel: Ich weiß noch genau, was ein Bleistift und eine Kassette miteinander zu tun haben. Auch Faxgerät und Briefe sind mir nicht fremd. Computer und dann auch das Internet fanden erst in meiner Jugend und den frühen Erwachsenenjahren in meinen Alltag. Die ersten Schritte der Digitalisierung haben ich und meine Generation also direkt miterlebt und auch mitgestaltet.

Haben wir dadurch Nachteile gegenüber den Digital Natives der nächsten Jahrgänge? Ich denke nicht, denn dadurch, dass wir auch das „davor“ – also die gute alte Zeit – kennen, sind wir in der Lage, die Veränderungen durch neue Technologie und Lösungen deutlich wahrzunehmen und nicht als selbstverständlich zu nehmen.

Aktuell wird der Arbeitsmarkt von der Generation X und Y beherrscht. Geboren in den 80er- und 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts sind die Millennials die ersten Digital Natives. Sie sind mit der Digitalisierung und all ihren Facetten aufgewachsen. Sie sind es auch, die das neue Arbeiten maßgeblich vorantreiben. Denn sind wir ehrlich, viele Vertreter meiner Altersklasse trauern heute noch ihrem Einzelbüro und dem Tastentelefon nach.

Der Generation Y folgt Z, geboren nach 2000, die ersten des Jahrhunderts. Die Generation Youtube, die die Digitalisierung schon komplett in ihr Alltagsleben integriert hat. Sie starten gerade ins Familienleben, entern den Arbeitsmarkt. Ihr höchstes Gut ist Flexibilität und Selbstverwirklichung, nicht nur im Arbeitsleben, sondern auch im Privatleben.

Die darauffolgende Generation Alpha steckt sprichwörtlich in den Kinderschuhen oder ist noch gar nicht geboren. Zu ihr gehören auch meine Kinder. Die 2010 bis 2025 Geborenen sind die ersten, die komplett im 21. Jahrhundert aufwachsen und vielleicht in 20-25 Jahren auf den Arbeitsmarkt streben. Sie kennen die analoge Welt kaum noch. Aufstehen, um den Kanal zu wechseln, Briefe schreiben oder Musik aus dem Radio aufnehmen, das klingt für sie nach Science-Fiction, wie für mich streamen oder Spracherkennung als Kind. Kaum konnten sie klar sehen, waren sie in der Lage, Touchscreens zu bedienen und per Spracherkennung Spielzeuge zu steuern.

Man könnte sagen, sie lernten das Swipen auf dem Bildschirm noch vor dem Sprechen.

Wo stehen wir also heute, wenn es um Leben und Arbeiten geht?

Man sollte meinen, dem neuen Arbeiten und der Digitalisierung steht nun nichts mehr im Weg. Vieles ist für uns, noch mehr für die nachfolgenden Jahrgänge, selbstverständlich. Wer aktuell auf den Arbeitsmarkt strebt, ist aufgeschlossen und offen für das neue, das andere Arbeiten – Smarter Working mehr als ein Buzzwort, sondern eher eine Lebenseinstellung.

Trotzdem hadern wir mit dem Umbruch und richtig in Fahrt kommt der digitale Wandel auch nur an den wenigsten Stellen. Ein Grund ist sicherlich die Pandemie. Corona hat uns „gezwungen“ den schleichenden Prozess der Digitalisierung deutlich zu beschleunigen. Der Wandel, der sich ohne die Pandemie wo- möglich noch über Jahre oder Jahrzehnte gezogen hätte, ist nun im Schnelldurchlauf geschehen. Was mit der aktuellen Technik sicherlich möglich ist, ist im Kopf nicht so schnell umzusetzen. Die Einstellung jedes Einzelnen zur Arbeit lässt sich nicht von jetzt auf gleich ändern.

Betrachtet man die Generationen X, Y und Z hat sich die Einstellung zur Arbeit in den letzten Jahrzehnten langsam aber dennoch deutlich gewandelt. Während die heute 30- bis 40-jährigen Verbindlichkeit schätzen und die Work-Life-Balance als Notwendigkeit sehen, ist die nächste Generation eher unverbindlich.

Meine Altersklasse arbeitete noch, um zu leben, Y will erst das Leben, dann die Arbeit. Das bedeutet aber auch, dass Dinge wie mobiles Arbeiten, Flexibilität im Denken und Handeln und die schnelle Anpassung an neue Situationen, Innovationen und andere Rahmenbedingungen für diese Generation selbstverständlich sind. Doch dieser Wandel hat eben auch Jahrzehnte benötigt.

Kann Corona ein Beschleuniger des Wandels sein und wirkt sich so positiv auf den Wandel der Arbeit aus? Schaffen wir also durch die Zwangsrevolution bessere Grundlagen für die kommende Generation Alpha? Oder wirft uns die aktuelle Situation eher wieder zurück, weil wir in Notlösungen und Grobkonzepten verharren und uns in Wahrheit nach dem Allhergebrachten sehnen?

Schaffen wir die Basis für die Arbeitswelt der Generation Alpha?

Corona und damit der erste Shutdown und die Homeoffice- Pflicht hat viele gezwungen, quasi aus dem Nichts Heimarbeits- plätze, Remote Offices und die Infrastruktur für mobiles Arbeiten zu schaffen. Betrachtet man die Zahlen, zunächst mit Erfolg. Arbeiteten vor Corona nur 4% der Erwerbstätigen im Homeoffice, waren es im ersten Lockdown 27%. Anfang 2021 sanken die Zahlen wieder auf 24%.

Ein Viertel aller Erwerbstätigen, größtenteils Digital Natives und Millennials, arbeiten also im Homeoffice. Aber ist das gleichzusetzen mit einem Erfolg des remote und mobilen Arbeitens oder besser gefragt, ist das die Basis, die wir schaffen wollen, auf der wir die Zukunft der Arbeit aufbauen?

Nur im Homeoffice zu sein, ist nämlich nicht gleichzusetzen mit Zufriedenheit, motiviert zu arbeiten und effizient zu sein und das ist es doch, was vor allen Dingen die Generationen Y und Z antreibt. Noch lässt es irgendeinen Rückschluss darauf zu, wie dieses Homeoffice aussieht oder ob irgendeine Art von Konzept, das in Zukunft weitergegeben und auch weiterentwickelt wer- den kann, umgesetzt wurde.

Sehen wir es realistisch, nur wenige Prozent der Arbeitnehmer, die aktuell in ihrem Wohnzimmer, in der Küche oder auch dem Abstellraum in ihrem „Remote Office“ sitzen, haben sich mit dem Konzept des neuen Arbeitens oder auch Smarter Working wirklich auseinandergesetzt. Und auch ihre Arbeitgeber nicht.

Sicherlich kann man ihnen das nur zum Teil vorwerfen, denn viele dieser Arbeitsplätze wurden ad hoc im ersten Lockdown geschaffen und quasi aus der Not geboren.

Nur ist dieser erste Lockdown schon einige Zeit her und noch immer sind Campingtische und umgebaute Abstellräume an der Tagesordnung.

Aber auch wer sich damit beschäftigt hat, seinen Arbeitnehmern „gute“ Rahmenbedingungen zu schaffen, schießt manchmal übers Ziel hinaus. Statt neues Arbeiten als komplexes Thema zu sehen, werden Richtlinien und Verordnungen zitiert und über die Tisch- höhe und Sicherheitsbestimmungen diskutiert.

Gut gedacht sicherlich, aber auch gut gemacht?

Dass es auch anders geht, zeigen Beispiele wie Twitter oder die Deutsche Bank. Das amerikanische Unternehmen Twitter stellt seinen Mitarbeitern frei, ob sie nach der Krise wieder ins Büro kommen wollen. Wenn nicht, ist auch uneingeschränkt Homeoffice möglich. Für die Ausstattung des Remote Office werden ihnen bis zu 1000 Dollar zur Verfügung gestellt.

Die Deutsche Bank will ein permanentes Homeoffice-Konzept einführen. Hierbei sollen Mitarbeiter bis zu drei Tage im Homeoffice arbeiten können. Alle fünf Jahre erhalten sie zudem eine Aufwandsentschädigung von 1000 Euro. Der Gedanke, nur 2-3 Tage remote zu arbeiten ist dabei nicht neu. Die aixvox hat schon 2017 auf die Vorteile von 2 Tagen Homeoffice pro Woche verwiesen:

  • 2 Stunden Fahrzeit für den Weg zwischen Wohnort und Arbeitsplatz werden eingespart
  • 92 zurückgelegte km weniger zwischen Wohnort und Arbeitsplatz
  • Minus 17,44kg CO2-Ausstoß bei 92 gesparten Kilometern
  • Rund 16€ weniger für Sprit & Abnutzung des Autos bei gesparten 92km (Mittelklassewagen mit 8l Verbrauch // 1,55€/l Benzin = 11,41€ Spritkosten + 4,60€ Abnutzung)

Also 2 Tage Homeoffice, eine gute technische Ausstattung, die passenden Lösungen zur Kollaboration und alles ist gut? Damit kann die kommende Generation dann weiter machen?

Leider nicht, denn diese Gedanken greifen zu kurz.

Die Zukunft der Arbeit liegt nicht nur in der Technik

Sicher, Technik ist wichtig und gerade in den letzten Jahren gab es viele neue Produkte und Lösungen, die uns die tägliche Arbeit deutlich erleichtert haben. Aber es reicht eben nicht, sich mit

einem neuen Headset, einem schnellen Laptop und einer innovativen Collaboration-Plattform in sein Kämmerlein zu setzen. Das ist nicht Smarter Working und auch nicht das, was wir die neue Normalität nennen möchten.

Von „Einfach Anders Arbeiten“ haben mein Team der aixvox und ich schon 2009 gesprochen, lange noch, bevor wir an eine Pandemie überhaupt denken mussten. Und schon damals hatten wir nicht nur Technik, sondern auch Raum – Arbeitsumfeld – und Menschen, sein Denken, Handeln und Verhalten thematisiert.

Zurück zum Anfang: Sind es wirklich Notlösungen oder Teillösungen, die wir der kommenden Generation Alpha hinterlassen wollen? Oder ist es jetzt an der Zeit, dass wir umfassende Konzepte schaffen und auch leben, die Mensch, Raum und Technik gleichermaßen berücksichtigen und Arbeitsplätze schaffen, die motiviertes und effizientes Arbeiten ermöglichen, unabhängig von Gebäuden, sondern nur basierend auf Tätigkeiten und gewünschten Ergebnissen. Die Antwort ist von mir ein eindeutiges

„JA. Ja zu neuem Arbeiten. Einfach und Anders.“

Betrachten wir also noch einmal die kommende Generation Alpha, die in der digitalen Welt aufgewachsen ist und neue Technik und Technologien wie selbstverständlich nutzt. Über die Wichtigkeit von Collaboration, Video oder auch Cloud-Lösungen müssen wir ihnen sicher nicht mehr erzählen.

Vielmehr müssen wir Konzepte und Strategien hinterlassen, die aufzeigen, wie Menschen diese Lösungen optimal nutzen können und wie ihr räumliches Umfeld sie dabei unterstützen kann.

Rituale und Strategien des neuen Arbeitens

Eines dieser Konzepte ist sicherlich Activity Based Working. Also ein Konzept, bei dem Arbeit nicht mehr an einen Ort gebunden ist, sondern der Raum nach der Art der Arbeit ausgewählt wird. Dank hybrider Arbeitsplätze und mobilem Arbeiten ist dieser Ort nicht mehr nur im eigenen Heim oder im Unternehmen zu verorten, sondern kann überall dort sein, wo man sich wohl führt, motiviert ist und gerne arbeitet, vorausgesetzt die Infrastruktur zum Arbeiten ist dort vorhanden.

Im Mittelpunkt des neuen Arbeitens, dessen Entwicklung und Umsetzung wir für die kommenden Generationen vorantreiben sollten, steht also nicht die Arbeit, sondern der Mensch; seine Autonomie, Vertrauen und Wohlbefinden.

Die Zeiten, in denen von 9-5 gearbeitet wurde, stur bis alles ab- gearbeitet war, sind längst vorbei, das hat bereits die Generation Y eingesehen und in vielen Fällen durch flexible Zeitkonzepte umgesetzt.

Doch es in an der Zeit, einen Schritt weiterzugehen. Raum für Arbeit bedeutet nicht, dass dieser Raum vier Wände haben muss. In Zeiten fortschreitender Technologisierung sollten wir uns wieder auf die Natur besinnen und wieder beginnen, aus ihr Energie für unsere Tätigkeiten zu schöpfen.

Wenn wir schon das sture Arbeiten an einem festen Ort für jetzt und alle Zukunft durch hybride Konzepte ersetzen möchten, dann sollten wir auch aktive Pausen einplanen, um Energie für neue Kreativität und Produktivität zu erlangen.

Ein Beispiel hierfür sind Weetings, also Walking Meetings. Statt statisch im Konferenzraum oder vor der Kamera zu sitzen, trifft man sich und hält das Meeting im Gehen ab. Auch die naturnahe Gestaltung der Arbeitsbereiche oder der Spaziergang in der Mittagspause können neue Energie bringen.

Der Raum für Produktivität, Konzentration und Interaktion ist also ein zentrales Thema in all unseren Überlegungen zum neuen Arbeiten. Fakt ist, wie bereits erwähnt, aktuell tragen viele der Arbeitsräume in den eigenen vier Wänden ihren Namen zu Unrecht. Fakt ist auch, dass es unser Ziel sein sollte, diese Situation zu ändern.

Wenn wir von hybriden Arbeitsräumen sprechen, sollten wir in Zukunft von „wirklichen“ abgeschlossenen und privaten Heimarbeitsplätzen sprechen. Außerdem von gut ausgestatteten Coworking Spaces und optimal genutzten Flächen in Unternehmen, die Interaktion und Kollaboration ermöglichen.

Neben den räumlichen Dimensionen sollten für die Zukunft der Arbeit aber auch die menschlichen im Mittelpunkt stehen. Schließlich ist es der Mensch, der produktiv, motiviert und effizient sein sollte. Was hilft der schönste Arbeitsraum – gleichgültig, wo er sich befindet – wenn das Umfeld demotivierend, die Ziele unerreichbar und Selbstverwirklichung ein Fremdwort sind.

Das Miteinander, verantwortungsvolles Führen und die passende Unterstützung jedes einzelnen bei der Ausschöpfung der individuellen Potentiale gehören ebenfalls zum neuen Arbeiten.

Ich schaue also meine Kinder an und weiß, dass ich es auch kommenden Generationen ermöglichen möchte, Arbeitsplatzkonzepte weiterzuentwickeln und vor allen Dingen sich selbst zu entwickeln, ohne Einschränkungen. Wohin die Reise geht, werden wir leider nicht mehr erfahren. Aber die Basis für die Generation Alpha zu schaffen und damit für die Zukunft der Arbeit sollte unser Ziel sein.

„Einfach Anders Arbeiten“ ist seit mehr als 15 Jahren sein Thema – in Workshops, Beratungen, Publikationen und Events. Detlev Artelt ist Geschäftsführer der aixvox GmbH, einem herstellerunabhängigen Beratungsunternehmen aus Aachen. Der Experte für Online Arbeit des eco e.V. leitet die Kompetenzgruppe Business Communications bei der EuroCloud und ist auch als Sprecher, Moderator sowie Beirat auf internationalen Kongressen tätig. Zudem ist er Co-Founder des Beraternetzwerks NEUWORK. Unter dem Brand „Einfach Online Arbeiten – EOA.live“ bietet er zudem mit einem Team von Experten die Konzeption und Durchführung von virtuellen und hybriden Events an. Detlev Artelt ist Herausgeber und Autor der Fachbuchreihe „voice compass“, den „PRAXISTIPPS Kundenkommunikation“ sowie von „EINFACH ANDERS ARBEITEN“.

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