Wirkliche, echte Dorfgemeinschaften mit ausgeprägtem Zusammenhalt sind rar geworden in unserer Zeit. Die Rolle des Individuums wurde in den letzten Jahren immer mehr in den Vordergrund gehoben, die Leistung des Einzelnen zählt mehr als das des Kollektivs. Die Anonymität der Städte hat dazu beigetragen, dass wir statt in Gemeinschaften oft als Einzelgänger mit losen sozialen Kontakten leben.
Die Krise hat unser Leben, unser Gemeinschaftsempfinden deutlich beeinflusst.
Stay@home ist das Motto seit nun fast sechs Wochen. Also alleine oder mit der Familie zuhause bleiben, soziale Isolation. Bei vielen verschmelzen Arbeit- und Privatleben miteinander. Wer Zuhause arbeiten kann, versucht sich im Homeoffice zu organisieren. In unseren letzten Blogartikeln haben wir Ihnen bereits Hinweise gegeben, wie Sie das „neue“ Arbeitsleben mit technischen Hilfsmitteln, Lösungen und auch durch Selbstorganisation optimieren können.
Trotzdem ist es nicht zu leugnen – ob man nun will oder nicht: Die Grenzen verschwimmen. Hieß es vorher – Aufstehen – Kinder fertig machen – zur Schule oder Kita bringen – Büro und danach Feierabend, hört sich das nun eher so an: Aufstehen – Frühstück mit der Familie und E-Mails checken – Anziehen – Morgenspaziergang – Telefonate und Arbeiten – Mittagessen – Mittagspause und Telefonkonferenz – nach draußen spielen – Abendessen – Gute-Nacht-Rituale – Fokuszeit zum konzentrierten Arbeiten. Oder auch zwischendurch Netflix und auf den Pizzadienst warten.
Was hat das mit den anfangs erwähnten Dörfern zu tun? Nichts, denn augenblicklich lässt die erzwungene Isolation gar kein Dorfleben zu. Trotzdem ist zu beobachten, dass wir uns in der Isolation immer mehr nach sozialer Interaktion sehnen. Der Gang zum Bäcker oder in den Supermarkt wird dazu genutzt, einige Sätze mit Bekannten zu wechseln oder einfach nur andere Menschen zu sehen. Gleichzeitig gibt es ein großes „Wir-Gefühl“ aller Menschen, die sich derzeit in Isolation befinden und auch ein Mitgefühl mit den Mitmenschen in anderen Ländern in der gleichen Situation.
Was heißt das nun für die Zukunft?
Müssen wir uns neue „virtuelle“ Dörfer erschaffen? Müssen wir das „Zusammenleben“ in Krisenzeiten neu erfinden und Technik nutzen, um der sozialen Isolation zu entfliehen? Und müssen wir generell unsere Arbeitsweise überdenken?
Fakt ist, soziale Isolation ist nicht gut für den Menschen, egal welcher Altersklasse. Kinder brauchen andere Kinder, Erwachsene brauchen soziale Interaktionen und ältere Menschen fallen ohne Sozialleben deutlich schneller in Depressionen.
In der bislang umfangreichsten Studie zu den Folgen von Einsamkeit, die in der Zeitschrift Heart des British Medical Journal (BMJ) erschienen ist, zeigte sich, dass soziale Isolation mit einem 43 Prozent höheren Risiko für einen ersten Herzinfarkt und mit einem um 39 Prozent erhöhten Risiko für einen ersten Schlaganfall verbunden ist. Alter, Geschlecht und Herkunft wurden dabei berücksichtigt.
Leider lässt die aktuelle Situation keine schnelle Beendigung der sozialen Isolation zu. Was also tun?
Die Krise als Chance für die Digitalisierung
Der Digitalisierung sei Dank, nutzen viele von uns derzeit Video- und Chat-Lösungen, um mit Kunden und Kollegen zu interagieren, zu kommunizieren und den persönlichen Kontakt zu halten. Unternehmen, die bisher nur am Rande mit der Digitalisierung zu tun hatten, mussten Homeoffice-Arbeitsplätze realisieren und gleich zwei Schritte auf einmal in Richtung digitaler Transformation machen. Corona hat also zumindest die Digitalisierung und das Thema „Neues Arbeiten“ deutlich vorangebracht und auch in die Köpfe derer gebracht, die sich bisher kaum damit beschäftigt haben.
Das bedeutet, dass sich das Arbeiten in den letzten Wochen deutlich verändert hat. Neue Arbeitskonzepte, die bisher nicht flächendeckend und nur von Flex-Workern oder mobilen Arbeitern in großen Konzernen genutzt wurden, haben nun auch kleine und mittelständische Unternehmen erreicht.
Der größte deutsche Internetknotenpunkt De-Cix in Frankfurt hat vor einigen Tagen gemeldet, dass 9,1 Terabit Daten vergangene Woche in einer Sekunde verarbeitet wurden. Das ist so viel wie noch nie zuvor. Auch Digitalisierungsgegnern dürfte aktuell eines klar werden: Das Internet ist das Beste, was uns je passiert ist.
Nicht nur, dass es vielen von uns erlaubt, auch in Zeiten von sozialer Isolation aus den heimischen vier Wänden nahezu ohne Probleme unserer Arbeit nachzugehen, es ermöglicht uns auch den Kontakt zu unseren Familien und Freunden.
Virtuelle Dörfer bauen
Denn nicht nur neue Arbeitskonzepte bringt die Krise hervor. Auch im sozialen Umfeld muss ein Umdenken her und vielerorts findet es schon statt: Die Nutzung von technologischen Kommunikationsplattformen im privaten Bereich. Hierunter fällt nicht nur der Videoanruf mit Oma oder die Sprachnachricht an die Schulkameraden.
Microsoft beispielsweise denkt aktuell eine Stufe weiter und bietet in Kürze mit Teams das an, was Familien bis jetzt mit vielen verschiedenen Apps und Software-Lösungen versuchen zu realisieren. Eine Kommunikationsplattform für eine begrenzte soziale Gruppe – also Familie oder Freunde – die es ermöglicht, miteinander zu chatten, zu telefonieren, in Gruppen per Video zu kommunizieren und auch Kalender und Daten zu teilen. Sprich: Ein kleines virtuelles Dorf mit Klatsch und Tratsch, Unterstützung und Gemeinschaft.
Aktueller Stand Mitte April ist, dass die Isolation nur langsam aufgehoben wird. An eine schnelle Rückkehr zur Normalität ist nicht zu denken. Bis alles wieder läuft „wie bisher“, kann es sogar Monate dauern.
Sehen wir also positiv in die Zukunft und versuchen, die Chance zu nutzen und vorhandene sowie neue Lösungen zu finden, virtuell der sozialen Isolation zu entgehen, zumindest bis zu einem gewissen Maße. Sicherlich kann ein Videoanruf keine Umarmung und ein Chat nicht den Plausch unter Freunden ersetzen, aber es erlaubt uns in einer Krisensituation nicht ganz „alleine“ zu sein.
Und wie soll es nach Corona weiter gehen? Schon 2008, als Unified Communications und Collaboration gerade auf dem Vormarsch war und die ersten Versuche aufkamen, virtuell zusammenzuarbeiten, stellte Detlev Artelt bereits die These auf, dass wir Internet und neuer Technologie sei Dank bald wieder in Dörfern leben können. Die aufkommende Digitalisierung sollte uns so mehr Lebenszeit, weniger Reisezeiten und eine andere Art des Arbeitens ermöglichen.
Die Voraussetzungen für dezentrales Arbeiten abseits der Ballungszentren und Großraumbüros waren also schon vor mehr als zehn Jahren zumindest im Ansatz gegeben. Genutzt wurden sie nur von wenigen. Bei allen Einschränkungen, die uns durch Corona gerade treffen, im Bereich des neuen Arbeitens sollten wir die Chance nutzen und auch in Nach-Corona-Zeiten weiterhin die Möglichkeiten nutzen, die uns die Digitalisierung bietet. Das heißt nicht, dass wir jetzt alle wieder aufs Dorf ziehen sollen, sondern nur, dass wir es könnten, wenn wir wollten.
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