Die Digitalisierung, das Internet und die Social-Media-Plattformen haben die Kaufprozesse drastisch verändert. Viele Anbieter kommen den zunehmend anspruchsvollen Wünschen der Kunden längst nicht mehr hinterher. Wählerisch, fordernd und gut informiert geben diese die Marschrichtung vor.
Ihre Gewohnheiten ändern sich laufend. Latent sind sie ständig absprungbereit. Wechseln ist völlig normal. Messlatte ist nicht der jeweilige Wettbewerb, sondern branchenübergreifend der Beste seines Fachs. Wer nervt oder schlecht performt, steht im Web sofort am Pranger. Und wer nicht digital fit ist, verschwindet vom Markt.
„Alles für den Kunden“ wird zur neuen Norm. Diese Situation stellt Service, Sales & Marketing und natürlich auch die Kundenkommunikation vor größere Herausforderungen als jemals zuvor: Es geht um nichts weniger als die Wandlung des gesamten Unternehmens hin zu einer vernetzten, kundenfokussierten Organisation.
Eine holistische Betrachtung ist elementar
Erst kommt der Kunde, dann die interne Effizienz. Das Entwickeln und Umsetzen synchronisierter Wertschöpfungsprozesse ist fundamental. Insellösungen und Bereichsegoismen kann man dabei nicht brauchen. Für den Kunden muss ein Unternehmen wie aus einem Guss funktionieren. Abteilungsgrenzen, Zuständigkeiten und Abstimmungsprobleme interessieren ihn nicht.
Aus welcher Abteilung eine Lösung kommt, ist dem Kunden letztlich egal. Hauptsache, sie funktioniert. Jedes Detail ist dabei von Belang. Ein einziger schlecht gemanagter Kontaktpunkt, Ihr schwächster, kann leicht dazu führen, dass Sie Kunden für immer verlieren. Deshalb müssen nicht nur die direkten Kontaktpersonen, sondern auch all die Mitarbeiter, die „nur“ indirekt mit den Kunden zu tun haben, wie etwa die Buchhaltung, der Einkauf oder die Logistik, kundenorientiert denken und handeln.
Hervorragende Unternehmen bieten ihren Kunden an allen Touchpoints die beste Erfahrung, und zwar über die gesamte Kundenreise hinweg. Touchpoints entstehen überall da, wo ein (potenzieller) Kunde mit einem Unternehmen und seinen Mitarbeitern, Produkten, Dienstleistungen, Plattformen und Marken in Berührung kommt. Online wie offline zeigt sich in solchen „Momenten der Wahrheit“, was die Werbeversprechen eines Anbieters tatsächlich taugen.
Der Kaufprozess eines Kunden. WOM steht für Word of Mouth, also Mundpropaganda, Erfahrungsberichte, Bewertungen, Referenzen und Empfehlungen. Pre-Sales steht für alle Aktivitäten vor, Loyality für alle Aktivitäten nach einem Kauf. Die Dicke der Pfeile reflektiert die jeweilige Intensität der WOM-Aktivitäten. (Quelle: Anne M. Schüller)
Obsession für Kundenbelange: heute ein Muss
Während übliche Manager vor allem an den Wettbewerb, ihre Quartalsziele und die Kosten denken, haben kluge Jungunternehmen längst verstanden, dass sich alles um die Kunden (und ihre Daten) dreht. Sie suchen gezielt nach Problemen und einer passenden Lösung dafür. Wie nötig das ist, zeigt eine Studie von Cap Gemini aus dem Jahr 2017. Danach bezeichnen sich 75 Prozent der weltweit teilnehmenden Unternehmen als kundenzentriert, dem stimmen aber nur 30 Prozent der befragten Konsumenten zu.
Wer die Zukunft erreichen will, braucht eine Obsession für Kundenbelange. „Vom Kunden her denken“ wird dabei zur Pflicht. Outside-in-Perspektive nennt man das.
- Dabei folgt man nicht länger dem selbstzentrierten alten Marketing, das fragt nämlich so: „Was bieten wir dem Markt und den Kunden wann, wie und wo an, damit wir noch erfolgreicher werden?“
- Das Touchpoint Management hingegen fragt so: „Was will / braucht / begehrt der Kunde von heute und morgen, und wie können wir helfen, seine Lebensqualität respektive seinen beruflichen und / oder geschäftlichen Erfolg zu verbessern?“
Wesentliche Stichworte hierzu: Alles so einfach wie möglich, alles so schnell wie möglich, am besten überall, jederzeit und sofort. Erfolg entsteht dabei nicht länger auf Kosten Dritter, der Moral und der Umwelt, sondern indem man das Dasein der Menschen verbessert. Die Konsumenten von heute erwarten, dass ein Unternehmen höhere Ziele verfolgt als Marktführerschaft und Maximalrenditen. Sie wollen vielmehr wissen, welchen Mehrwert ein Anbieter der Welt und den Menschen bietet.
Aus dem Blickwinkel des Kunden betrachtet
Ausgangspunkt ist heute die Perspektive des Kunden, denn die allein zählt. So wird untersucht, was die Kunden erwarten, welche Leistungen sie auf ihrer Customer Journey erhalten und wie ihre Reaktion darauf ist. Hierbei können neue, für bestehende oder potenzielle Kundengruppen wichtige Verkaufsorte und Beziehungspflegepunkte gefunden und dann aktiviert werden. Vorhandene Touchpoints lassen sich optimieren und veraltete oder unnötige eliminieren, wodurch man eine Menge Geld sparen kann.
Hat man die Kontaktmöglichkeiten in eine kundendialogische Abfolge gebracht, lässt sich deren Zusammenspiel nun synchronisieren und durchgängig kundenfreundlicher gestalten. Am Ende sind solche Berührungspunkte zu favorisieren und budgetär zu unterstützen, die aus Kundensicht wichtig sind und das Haben-Wollen, die Reputation, den Abverkauf, die Kundenloyalität und die Empfehlungsbereitschaft nachhaltig stärken. Bei alldem kooperiert man mit den Kunden und bindet sie interaktiv ein.
Man macht sie also zu Mitwissern und Mitgestaltern, wo es nur geht. Dies senkt nicht nur das unternehmerische Risiko, sondern baut zusätzliche Eintrittsbarrieren für den Wettbewerb auf. Denn wenn man Menschen zeigt, dass man sich für ihre Meinung wirklich interessiert, und wenn man ihnen Mitwirkungsmöglichkeiten gibt, verändert sich deren Haltung positiv. Dies sorgt nicht nur fürs Wiederkommen, sondern auch fürs Weiterempfehlen. Und dies wiederum sorgt für hochwertiges und leicht generierbares Neugeschäft, bei dem maximale Preiszugeständnisse kaum eine Rolle spielen.
Der Kaufpreis der Kunden von heute und morgen
Bis zu 95 Prozent aller Kaufvorentscheidungen fallen heute im Web. Wenn Kunden sich auf die Suche nach interessanten Angeboten machen oder die Lösung eines akuten Problems im Auge haben, konsultieren sie zunächst die Suchmaschinen. Antworten entdecken sie viele. Passende und unpassende. Positive und auch negative. Vielleicht auf Ihrer Website, doch meistens woanders.
Ein ganz wesentlicher Punkt für jeden User ist dabei der, das Richtige zügig zu finden und in einer zunehmend erdrückenden Informationsflut die Spreu vom Weizen zu trennen.
Im B2B (Business to Business) findet nahezu die gesamte Vorrecherche inzwischen online statt. Und das nicht nur im Büro. Abends sitzen die Entscheider mit dem Tablet auf dem Sofa und surfen los. In Fachforen folgen sie den Diskussionen der Anwender und auf Bewertungsportalen zählen sie Sterne. Sie suchen nach Alternativangeboten – und nach Erfahrungsberichten „wissender Dritter“. Verstärkt spielen diese eine Schlüsselrolle im Kaufprozess, denn sie erhöhen die Entscheidungssicherheit.
Wer schlechte Noten bekommt, weil die Produkte nicht halten, was sie versprechen, weil der Service nicht immer stimmt oder das Vorgehen im Betrieb unakzeptabel ist, fällt holterdiepolter durchs Rost, ohne dass es je zu einem direkten Kontaktversuch kommt. Das bedeutet: Ohne etwas davon zu bemerken, verlieren Anbieter, die im Web ein schlechtes Bild abgeben, das meiste potenzielle Geschäft allein auf diese Weise.
Kundenkommunikation über Content
Bestandskunden informieren sich ständig weiter. Die bedingungslose Loyalität von einst, die gibt es nicht mehr. Wenn Kunden sich früher für einen Anbieter entschieden hatten, blieben sie, solange nichts schieflief, meistens treu. „Da weiß man, was man hat“ war ein gängiger Spruch. Markttransparenz zu bekommen war schwer und die Gefahr, eine Fehlentscheidung zu treffen, demgemäß hoch.
Heute ist das völlig anders. Im Web wird man ständig zur Untreue verführt. Hochdigitalisierte Kunden sind nur so lange treu, bis ein besseres Angebot kommt. Zwar liebt es unser Denkapparat ungemein, positive Erfahrungen zu wiederholen – aber wir lassen uns eben auch gerne verführen.
Was also tun? Das ist einfach. Präsentieren sie dem Interessenten relevante Informationen über passende Angebote ganz genau dann, wenn er sie sucht, und dort, wo er sie sucht. Legen Sie eine Duftspur geradewegs zu Ihren Angeboten, wenn der potenzielle Abnehmer diese (wieder) benötigt.
Mit intelligentem und qualitativ erstklassigem Content kann man die Sichtbarkeit in Suchmaschinen erhöhen, den User auf hochwertige Weise erreichen, neugierig machen, Begehrlichkeiten wecken und Kauflust erzeugen. Automatisierte Prozesse sind hierbei unerlässlich. Sie werden vom Marketing aus initiiert. Der Kaufabschluss erfolgt dann im Onlineshop oder mithilfe qualifizierter Mitarbeiter im Innen- und Außendienst.
Wir leben in einer Empfehlungsgesellschaft
Das Erreichen eines Abschlusses ist aber noch lange nicht alles. Jetzt geht es ja erst richtig los. Nun ist eine pflegliche Bestandskunden-Rundumbetreuung gefragt. Und alles, was der Anbieter via Werbung verspricht, muss nicht nur eingehalten, sondern idealerweise sogar überboten werden. Erwartung plus x ist das Stichwort. Hierbei geht es nicht nur um kontinuierlichen Folgeumsatz. Da schlummert ein weiterer Schatz, den es zu heben gilt. Denn, sofern sie begeistert sind, werden Bestandskunden ja auch zu Fürsprechern, Botschaftern, Multiplikatoren und Weiterempfehlern. Ihre Bewertungen, Referenzen und Erlebnisberichte geben anderen die Marschrichtung vor.
Was verlässliche Dritte sagen, ist für uns immer vertrauenswürdiger als das, was die Unternehmen selbst über sich sagen. „Wer hat das schon gekauft? Welche Erfahrungen habt ihr mit … gemacht? Sind die seriös?“ Wie ein menschlicher Algorithmus können Empfehler Komplexität reduzieren, Streuverluste minimieren, das Gute von Schlechten trennen und Passendes für uns vorsortieren. Und da, wo das Weiterempfehlen gut funktioniert, da klappt das auch mit dem Geldverdienen.
Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach.
Sie gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. 2015 wurde sie in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager aus.
www.anneschueller.de
Das Buch zum Thema
Anne M. Schüller, Norbert Schuster:
Marketing-Automation für Bestandskunden
ISBN: 978-3-648-09542-3
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