Das Neue Arbeiten ist ein Thema, dem man nicht mehr aus dem Weg gehen kann. Im doppelten Sinne: Zum einen ist die mit der Digitalisierung einhergehende Veränderung der Arbeit in sozialen Netzwerken und Medien quasi omnipräsent, zum anderen ist Neues Arbeiten für Unternehmen, die auch zukunftsfähig bleiben wollen, unumgänglich.

Trotzdem ist das Thema nicht unumstritten und nicht jeder bejubelt die Veränderungen, die mit der digitalen Transformation einhergehen. Für alle, die zweifeln oder einfach lieber beim „Alten“ bleiben möchten, hat sich das PRAXISTIPPS-Team zum Advocatus Diaboli gemacht und zehn Thesen gegen Neues Arbeiten aufgestellt. Als jemand, der nicht nur Verfechter für die neue Art des Arbeitens ist, sondern auch tagtäglich mit den unterschiedlichsten Themen und Ausprägungen von New Work zu tun hat, reagiert Kristin Rosenow auf unsere Thesen – positiv wie auch negativ.

1. Digitalisierung? Bald werden wir alle durch Roboter ersetzt!

Hach, das Killerargument. Natürlich kann man unsere Zukunft in einer Dystopie skizzieren und sich danach einfach eine Klippe hin- unterstürzen. Aber zum einen gab es diese Dystopien auch schon vor hundert Jahren und auch nach diesen sollte die Menschheit schon längst ausgelöscht worden sein. Zum anderen unterstellt man hier den Entwicklern, den Anwendern, unseren Kindern – ach was – der Menschheit selbst echt eine Menge Dummheit. Noch betätigen wir den Aus-Schalter, wenn es nötig wird, noch entscheiden wir über den Grad der Selbständigkeit einer KI, noch bestimmen wir, wann KI eingesetzt wird und wann nicht. Zudem wissen wir sehr wohl zu schätzen, wann menschliche Intuition, Emotionalität und echte Beziehungen gefragt sind. Und wenn durch einen Roboter ersetzt werden bedeutet, dass man mehr Zeit für andere Aufgaben hat – warum nicht? Die Unternehmen müssen tatsächlich aber lernen, dass freigewordene Kapazitäten nicht in Profit und mehr Arbeit umgewandelt, sondern für den Menschen genutzt werden. Dann sind Roboter gar nicht mehr so eine schlechte Aussicht!

Hier liegt sie wahrscheinlich auch, die Angst, die mit der oben genannten These zum Ausdruck gebracht wird: Überflüssig und damit z.B. arbeitslos zu werden. Eine existenzielle Angst, die man verstehen kann. Ich möchte dies also durchaus nicht einfach so abtun, sondern diese an die Unternehmen weitergeben. Macht was draus!

2. Das kostet doch alles zu viel Geld! Neue Tools, neue Software, am besten noch ein Büro.

Ja bitte! Wer glaubt, einmal im Leben in ein Unternehmen investiert zu haben, reicht für immer, der irrt natürlich. Erneuerungen, Modernisierungen, Upgrades – dem musste sich der Landwirt vor hundert Jahren ebenso wie der Callcenterdienstleister von heute stellen. Wichtig ist ja, dass das Verhältnis von Kosten zu Nutzen gewahrt bleibt. Wenn ich mir also eine KI für 30.000 Euro in meine Prozesse einbauen lasse, dann muss sie natürlich auch 30.000 Euro mehr erwirtschaften, durch Zeitersparnis, mehr Kunden, weniger Personal – was auch immer. Das ist ja einfache Betriebswirtschaft und immer eine Betrachtung wert.

3. Aber das funktioniert doch schon seit Jahren alles so gut. Warum neue Prozesse einführen?

Dies kann man nahtlos an die vorangegangene These anknüpfen. Und: Wer immer nur macht, was er schon kann, der bleibt auch immer das, was er schon ist. Das Wort Unternehmer beinhaltet hier doch schon einen Teil der Antwort! Etwas unternehmen bedeutet ja auch, etwas zu wagen. Neue Wege zu gehen, sich zu entwickeln. Das steckt zum Glück auch in uns Menschen. Haben wir ein Ziel erreicht, streben wir zum nächsten. Das hat uns zu dem gemacht, was wir heute sind. Subjektivem (Nostalgie-) Empfinden entgegen, geht es uns doch heute besser als jemals zuvor. Wir sind gesünder, werden älter und sind weniger Gefahren ausgesetzt als in jeder denkbaren Vergangenheit.

So trauern viele ja der handylosen Zeit hinterher, sie vergessen aber dabei, dass man schon ruhiger schläft, wenn man weiß, dass die 16-jährige Tochter abends anrufen kann, wenn sie den letzten Bus verpasst hat… Und diejenigen, die immer schreien, früher habe man doch schließlich auch so tolle Briefe bekommen, die beschweren sich gleichzeitig über teurer werdendes Briefporto. Wer sich darüber echauffiert, dass man „heutzutage wegen allem ‘ne Pille einwirft”, der hat vergessen, dass die Menschen früher an diesen aus heutiger Sicht „Kleinigkeiten” buchstäblich verreckt sind.

Nur weil etwas „schon immer so läuft”, bedeutet das also nicht, dass es nicht auch besser geht. In dieser These steckt vielmehr unsere ureigene Angst vor Veränderungen, selbst wenn diese echte Verbesserungen mit sich brächten. Reflektieren Sie das mal mit sich selbst: Sie haben sich mit Ihrer kleinen Wohnung arrangiert, kennen die Busfahrpläne zur Arbeit, wissen wo der nächstgelegene Supermarkt ist. Alles läuft also quasi. Nun wird ihnen eine neue, größere Wohnung angeboten. Dazu müssten Sie aber umziehen, ausmisten, eine neue Bahnverbindung zur Arbeit finden, sich an einen neuen Supermarkt etc. gewöhnen. Wie groß ist Ihre Motivation, dies alles für mehr Wohnraum in Angriff zu nehmen, wenn es bisher doch auch „so einigermaßen okay” geklappt hat? Richtig – das hängt davon ab, wie viel mehr Wohnraum es tatsächlich ist und wie dringend sie diesen eigentlich bräuchten. Da kommt dann nämlich schon wieder der Betriebswirt, der klar und vor allem rational Aufwand und Nutzen gegenüberstellt. Und schon hat man eine Antwort.

4. Das ist alles viel zu riskant, da sind die Daten bestimmt nicht sicher.

Nun, über dieses Thema sind wir ja nun wirklich mittlerweile hinweg, oder? Dem einen geht die neue DSGVO viel zu weit, dem anderen nicht weit genug? Trotz End-to-end-Verschlüsselung fürchtet man noch immer den Diebstahl von Messenger- Nachrichten? Trotz Serverstandorten in Deutschland vermutet man immer noch hinter allem die NSA?

Eher ist es doch so: Solange 80% der User für alles immer das- selbe Passwort verwenden, E-Mails nigerianischer Prinzen öffnen und Zugangsdaten per Mail verschicken – ja, so lange sind unsere Daten bestimmt nicht sicher! Aber das hat nur bedingt mit der eigentlichen Digitalisierung zu tun, denn diese kommt schon lange mit den entsprechenden Maßnahmen daher. Viel- mehr müssen wir alle immer noch an unserem Nutzerverhalten arbeiten, genau prüfen, was wir bei Facebook hochladen und Siri nicht alles ungefiltert anvertrauen. Nur weil wir zu bequem sind, mit unseren eigenen tollen Werkzeugen anständig umzugehen, sollten wir deren Sicherheit nicht unbedingt in Frage stellen. Ich empfehle hier sehr, sich mit Cybercrime- bzw. Cypersecurity-Experten zusammenzusetzen und sich deren Tipps zu Gemüte zu führen. Ich verspreche Ihnen echte Aha-Momente!

5. Neues Arbeiten: Da wird ja gar nicht richtig gearbeitet, da hab ich keine Kontrolle über den Mitarbeiter.

Das hört man ja auch oft, da spielt so ein gewisser gefühlter Kontrollverlust tatsächlich eine große Rolle. Hierzu muss man sich aber ein paar wichtige Fragen stellen:

Für welche Mitarbeiter ist dieser Arbeitsstil geeignet? Wie groß ist mein Vertrauen in meine Mitarbeiter? Und aus der letzten Frage folgend: Wenn es nicht groß ist, warum sind es denn dann meine Mitarbeiter?

Letztendlich gibt es aber doch für alle Bedürfnisse die entsprechenden Kontrollmechanismen. Loginzeiten können aufgezeichnet werden, Telefoniezeiten sowieso und solange der Kollege im normalen Rahmen Ergebnisse liefert, sollte man doch eh mal durchatmen und sich an der Zuverlässigkeit freuen, anstatt diese zu hinterfragen, oder?

6. Homeoffice ist doch nur etwas für Studenten, die um 10 Uhr aufstehen und Muttis mit eigenem Etsy-Shop, die ihre Häkeldeckchen klöppeln. Ansonsten sitzt man doch nur mit Laptop und Kaffee auf dem Sofa, das kann nicht produktiv sein.

Dem einen tut das Sofa zwischendurch mal ganz gut! Aber logisch sollte es entsprechende Agreements geben (Stichwort: Vertrauen), die vor allem dann wichtig sind, wenn es um Datensicherheit oder gar Videomeetings mit Kunden etc. geht. Messungen belegen sogar, dass Mitarbeiter im Homeoffice mehr arbeiten als direkt im Unternehmen, denn sie sparen sich einen langen Arbeitsweg, müssen nicht wegen der angekündigten Heizungsablesung einen halben Tag zu Hause bleiben und können auch mal ein krankes Kind neben sich auf dem Sofa haben.

Doch Vorsicht – was für die Produktivität ganz gut sein kann, ist nicht immer auch gut für den Mitarbeiter. Dieser braucht klarere Abgrenzungen zwischen Arbeit und Privatleben als andere Kol- legen und der Chef (und auch die Kollegen) müssen akzeptieren, dass es auch im Homeoffice mal Feierabend und Wochenende gibt. Zu groß ist die Versuchung, den Kollegen im Homeoffice außer der Reihe mit etwas dringendem zu beauftragen, wo er doch schließlich „immer da ist”! Das geht im Zweifel nicht lange gut, endet im schlimmsten Fall mit Frust, Burnout oder gar Kündigung.

7. Da spart man sich die Businessgarderobe, in der Videokonferenz sieht man eh nur den Kopf.

Nun – wer will das überprüfen? Obenrum Hemd und Krawatte, untenrum Jogginghose – so what? Im Ernst: Ich denke, letztendlich muss das jeder auch für sich wissen. Der ein oder andere kann sich einfach besser konzentrieren, wenn er von Kopf bis Fuß „auf Business eingestellt”, also auch entsprechend gekleidet ist. Andere wiederum fühlen sich in Anzug und Krawatte so ganz und gar nicht wohl und können buchstäblich freier atmen, wenn sie etwas legerer gekleidet sind. Dann sollen sie halt auch.

8. Mobiles Arbeiten: Das heißt doch im Café Latte Macchiato schlürfen und E-Mails schreiben, während die anderen arbeiten.

Also zunächst einmal: Ist E-Mails schreiben etwa keine Arbeit? Und dann: Wollen wir nicht mit dem mobilen Arbeiten genau das? Also – klar, nicht den ganzen Tag im Café abhängen, aber eben mal hier und mal dort arbeiten, wo es gerade passt und schön ist? Wir reden ja nicht vom Hilfsarbeiter, der stark geführt werden muss und in Schichten arbeitet. Das mobile Arbeiten soll vor allem den Arbeitsalltag von z.B. Außendienstlern erleichtern. Die sind permanent auf Tour und dann ist es doch super, wenn sie die Dokumentation vom Kundentermin direkt im Anschluss verarbeiten können. In der Bahn, im Café am Flug- hafen, zu Hause…

Oder auch Managementpositionen, in denen man viel unterwegs ist oder wo eine 60-Stunden-Woche zum Job gehört. Dies sind ja in der Regel Mitarbeiter, die sowieso großes Vertrauen genießen und auf Grund ihrer Verantwortung ein gewisses Eigeninteresse am sorgfältigen Arbeiten haben. Wenn die eben mal einen Berg E-Mails bei einem oder zwei Cappuccino auf der Terrasse abarbeiten, wo ist das Problem?

Diesen Text hier, den schreibe ich übrigens gerade auf der Terrasse meiner Eltern, die sich freuen, dass ich trotz viel Arbeit auf einen Kaffee vorbeigeschaut habe und nun noch etwas da bleiben kann 😉

9. Flexdesk: Streitet man sich da jeden Morgen um den Fensterplatz? Oder heißt das nur, dass ich das Familienbild immer in der Tasche haben muss?

Also für mich bedeutet Flexdesk vor allem: aufgeräumte Schreibtische 😉

Stellen Sie sich vor, sie haben 40 Mitarbeiter, die aber auf Grund von Schichten, unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen oder Gleitzeiten nie alle gleichzeitig im Büro sind. Also sagen wir, es sind maximal so 25 Leute tatsächlich immer gleichzeitig da. Möchten Sie dann wirklich Raum und Möbel für fast doppelt so viele Personen bereitstellen? Bildschirme, Telefone, Computer etc.?

Rechnen Sie das mal durch. Und dann wissen wir ja auch, wie schnell man sich an so einem festen Platz „häuslich einrichtet” – die Versuchung ist einfach groß. Beim Flexdesk-Prinzip packt man nach Arbeitsende seine Siebensachen (z.B. Headset, Notizen, Wasserflasche und ja – auch das Familienfoto) in einen Karton, stellt diesen ins Regal, räumt das Bonbon-Papier weg, fertig. Streit um den Fensterplatz könnte es theoretisch geben, aber auch mit Flexdesks etablieren sich meist sowas Ähnliches wie feste Arbeitsplätze. Tja, da muss sich „der Neue” eben auch mal unterordnen 😉

10. Neues Arbeiten trägt zur sozialen Vereinsamung bei. Kaffeeklatsch geht doch nicht digital, oder?

Whatsapp, Facebook Messenger, Google Hangout, asana, Skype, LinkedIn … ich versuche jetzt mal keine Werbung für ein spezifisches Tool zu machen und das ist auch gar nicht nötig. Noch nie war man so stark vernetzt wie heute! Fast möchte man sagen, es ist schon zu viel „Social”. Hier in der SQUT-Redaktion handhaben wir das so: Hangout-Chat für die kleinen Zurufe zwischendurch, asana für die digitale Collaboration, Telefon für StandUp- Calls und Jour fixes. So habe ich mein Team im Blick und einen regelmäßigen und zuverlässigen Draht in die Geschäftsleitung. Demnächst ergänzen wir unser Equipment um eine tolle Video- Lösung von Jabra, mit der sich Meetings auch aus der Ferne „wie echt” anfühlen. Zugegeben, das ist natürlich nicht so, wie wenn man sich trifft, die Hand gibt, mit einer Umarmung tröstet oder den gleichen Blick auf den Strand teilt.

Diese Komponente sollte auch bei aller tollen Digitalisierung und modernem Arbeiten tatsächlich nicht wegfallen. Auch hier sind Fingerspitzengefühl, Führung und eine gewisse Balance unumgänglich.

Für alle hier besprochenen Themen gilt übrigens: Change Ma- nagement! Mitarbeiter – egal ob am Fließband oder im Manage- ment – dürfen mit der Digitalisierung nicht alleingelassen werden. Es gibt verschiedene, ganz individuelle Hürden, die optimales

„Neues Arbeiten” beeinflussen: Angst vor der Technik, Vorbehalte gegen Neues, technischer Nachholbedarf oder auch fehlende Infrastruktur oder Equipment. Das alles liegt in der Führungsverantwortung und darf nicht einfach abgetan werden. Auch BYOD (Bring Your Own Device) heißt nicht automatisch „der macht das schon, der kann das”.

In diesem Sinne kann ich nur empfehlen: Freuen Sie sich über die Möglichkeiten, die wir heute haben, nehmen Sie nicht alles ungefiltert an, beziehen Sie Ihre Mitarbeiter in das Thema ein und vor allem: Haben Sie Spaß mit toller Technik!


Kristin Rosenow ist Diplom-Betriebswirtin und seit Januar 2011 Chefredakteurin der Fachzeitschrift für Service, Qualität und Technik – SQUT®.
Als Mitarbeiterin von Schottler&Simon unterstützt und berät sie Unternehmen in der Kundenkommunikation und in der Rekrutierung und Ausbildung von Callcenteragenten mit dem Schwerpunkt Homeoffice.
k.rosenow@schosimo.de www.schosimo.de

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