Customer Experience, Customer Journey, Customer Engagement, Customer Centricity. Wenn man sich aktuelle Trends im Kundenservice oder Callcenter-Markt anschaut, dreht sich offen- bar alles um den Kunden. Rosige Zeiten für die Kunden durch eine wirkliche Kundenorientierung der Unternehmen also. Die Wirklichkeit sieht leider ernüchternd und anders aus. Zwar haben viele Unternehmen mittlerweile verstanden, dass sie die Geduld und Nerven ihrer Kunden im Service nicht endlos strapazieren können, dass sie für die Anliegen der Kunden erreichbar sein müssen, dass Telefon, Fax und E-Mail nicht mehr ausreichen in der Kundenkommunikation; eine 180 Grad Kehrtwende von einer Produktorientierung zu einer Kundenorientierung ist jedoch bislang nicht zu verzeichnen.

Kunden kaufen Erlebnisse – keine Produkte

Die Begleitung eines Kunden auf seiner Entdeckungsreise für ein neues Produkt hieß früher Verkauf. Heute heißt der gleiche Prozess Customer Experience. Ein neues Etikett für einen Prozess, der nach wie vor aus der Sicht des Unternehmens gestaltet ist und der die wahren Erwartungen der Kunden entlang seiner Kundenreise kaum kennt und berücksichtigt. Wie tickt Ihr Kunde? Was sind seine größten Herausforderungen? Welche Bedürfnisse und Wünsche hat er? Und wie kann das Unternehmen dem Kunden helfen, diese zu befriedigen? Marktforschung ist eine Methode, sich mit den Erwartungen der Kunden auseinanderzusetzen. Allerdings sind die gängigen Verfahren kaum geeignet, Schwachstellen, Lust- und Frust-Punkte entlang einer Kundenreise zu erfassen. Um das Kundenerleben – Customer Experience – wirklich aus der Sicht der Kunden zu gestalten, muss man in dessen Schuhe schlüpfen und die einzelnen Schritte detailliert erfassen und verstehen. Eine Methode, die sich zunehmend durchsetzt, ist das Customer Journey Mapping. Die Visualisierung der Kundenreise, die für jeden Touchpoint die Erwartungen der Kunden, die Irritationen, Ärgernisse beschreibt und damit eine wesentliche Datengrundlage für die Optimierung der Kundenreise liefert.

Customer Journey Maps haben einen entscheidenden Vorteil gegenüber vielen anderen Management-Ansätzen und -Methoden. Richtig angewandt liefern sie eine Sicht von außen nach innen. Sie geben die Kundenperspektive wieder und halten sich nicht an interne Zuständigkeitsgrenzen, Verantwortlichkeiten und Prozesse. Sie bilden eine End-to-End-Betrachtung des Kundenanliegens über alle Abteilungsgrenzen hinweg.

Abschied vom Kästchendenken und klassischen Organisationsstrukturen

Damit bieten sie natürlich auch reichlich Zündstoff für interne Diskussionen. Wer ist für das Ergebnis einer Customer-Service-Leistung zuständig und verantwortlich? Typische Fragen in einer klassischen Organisationsstruktur. Da die Mehrzahl der Unternehmen nach internen, fachlichen Gesichtspunkten hierarchisch aufgestellt ist, ergibt sich immer eine geteilte Verantwortlichkeit. Was dann bei entsprechenden Entlohnungs- und Bonus-Systemen dazu führt, dass der Kunde der Leidtragende ist. Die Abstimmung, Koordination zwischen den Abteilungen kann nicht funktionieren, da die Interessen unterschiedlich ausgerichtet sind. Unternehmen stehen vor einem Dilemma.

Die Geschwindigkeit, in der sich Märkte und Kommunikationsgewohnheiten verändern, ist größer als die Geschwindigkeit, in der sich Organisationen anpassen.

Kunden springen zwischen WhatsApp, SMS, Chat, Telefon hin und her, wechseln die Kanäle je nach Zweckmäßigkeit, Lust und Laune, gehen drei Schritte vor und einen zurück. Bevor ein Kunde heute zum ersten Mal mit einem Verkäufer, mit einem Mitarbeiter eines Callcenters Kontakt aufnimmt, um sich beim Kauf eines Produktes beraten zu lassen, hat er schon unzählige Kontaktpunkte – Customer Touchpoints – off- wie online erlebt. Dank Smartphone und mobilem Internetzugang wird die Kommunikation für Kunden zum multioptionalen Vergnügen. Die Messlatte an exzellenten Service in der Kommunikation wird dank Unternehmen wie amazon dabei immer höher gelegt. „Warum kann mein Stromversorger nicht auch innerhalb von zwei Stunden eine Antwort auf meine E-Mail-Anfrage geben? Warum muss ich bei meinem Mobilfunkanbieter eine halbe Stun- de in der Warteschleife hängen, wenn der Rückrufservice bei amazon innerhalb weniger Minuten zuverlässig funktioniert?“ Die Explosion der Kommunikationskanäle erfolgt mit einer enormen Dynamik und Wucht und trifft viele Callcenter und Customer- Service-Organisationseinheiten unvorbereitet. Die Zeitspanne, in der sich neue Medien wie z.B. WhatsApp – Instant Messa- ging – etabliert haben, ist extrem kurz geworden und deckt sich nicht mit den bisherigen Erfahrungswerten der Unternehmen. Fax und E-Mail haben viele Jahre benötigt, um sich einen Platz neben dem Telefon als Kommunikationskanal zu erobern. Die „jungen Wilden“ wie Chat, Co-Browsing, Apps krempeln Märkte über Nacht um.

Was bedeutet diese Entwicklung für die Unternehmen? Flexibilität, schneller Wandel, hohe Geschwindigkeit bei der Adaption neuer Medien und kreatives Chaos auf der Kundenseite stehen einem Organisationsprinzip von Ordnung, Beherrschbarkeit, Budgetierung, Kontrolle und Planbarkeit gegenüber. Sehr viel gegensätzlicher waren Kundenerwartungen und Organisationsprinzipien nie. Dieses Dogma mündet in einer rigiden, stark von Kontrolle geprägten Unternehmenskultur und hierarchisch, zentralisierten Abteilungen und Strukturen. Wie verträgt sich diese Kultur mit den Anforderungen des Marktes nach Agilität? Wenn man Agilität als Thesen formuliert, bedeutet dies:

1. Der einzelne Mitarbeiter und seine Interaktionen mit dem Kunden sind wertvoller und wichtiger als Kontrollmechanismen und Prozessvorgaben.
2. Zufriedengestellte Kunden und eine fall- abschließende Bearbeitung sind wertvoller und wichtiger als die Dokumentation der Daten im System.
3. Sich anpassen und verändern ist wichtiger als die Erfüllung des Plans und der Vorgaben.

Es braucht eine gehörige Portion Mut, die bisherigen Strukturen, Entlohnungs-, Controlling-Systeme, Arbeitszeitmodelle, Führungs-Systeme abzulösen und durch eine agile Organisation zu ersetzen. Und es benötigt andere Kommunikationswerkzeuge in der Kommunikation. Die Kommunikation per E-Mail untereinander führt zu PING-PONG-Kommunikation, zu Unzufriedenheit und zu einer Aufblähung der Kommunikation, die für die Beteiligten selten als hilfreich und unterstützend empfunden wird.

Warum slack, Microsoft Teams und Co. so erfolgreich sind

Die Einhaltung der Hierarchien in der Kommunikation – vom Mitarbeiter zum Abteilungsleiter zum Hauptabteilungsleiter zum Hauptabteilungsleiter einer anderen Abteilung zum Mitarbeiter und auf dem gleichen Weg zurück – frisst nicht nur Zeit, sondern ist völlig demotivierend. Moderne Kommunikationssysteme wie slack und Microsoft Teams sind deshalb so erfolgreich, weil sie die Kollaboration fördern, weil sie verschiedene Kanäle wie Foren, Chat etc. anbieten, weil der Mitarbeiter sich sehr viel besser in seiner Arbeit unterstützt sieht und weil die Kommunikation sehr viel schneller abläuft. Ein gutes Beispiel für ein sinnvolles internes Kommunikationssystem liefert die valido GmbH aus Nürnberg. Valido ist ein Spin-off des Schindlerhof Hotels von Klaus Kobjoll, welcher mehrfach für seine innovative Mitarbeiterführung und Kundenorientierung ausgezeichnet wurde.

„Valido ist eine App, ein Messenger, der als mobiles, arbeitsplatz- unabhängiges System mit Activity Streams, Umfragen, Enterprise-Wiki, Storage- und Chat-Funktion – auf Wunsch auch mit direkter Anbindung an bereits bestehende bzw. häufig genutzte Systeme – eingesetzt werden kann. Valido ermöglicht einen schnellen, dynamischen und bereichsübergreifenden Austausch, der weitestgehend hierarchiefrei ist. Keine Newsletter mehr oder E-Mails mit langen Verteilern, sondern Forumsbeiträge, die bei Bedarf von den Mitarbeitern abgerufen werden können.“
(Quelle: Website valido)

Das Aufbrechen der verkrusteten Strukturen eines Unternehmens kann durch slack, valido oder andere Systeme beschleunigt werden. Auch wenn diese Systeme natürlich nicht die Reorganisation oder das strategische Neuausrichten ersetzen. Sie sind Mittel zum Zweck. Das, was in der Organisation selbst an Reorganisation geschieht, muss sich natürlich gegenüber dem Markt und den Kunden widerspiegeln. Klassische Callcenter und Customer-Service-Organisationen sind sowohl technologisch als auch organisatorisch ebenfalls nach Funktionen, Kanälen getrennt und unterstützen selten Kundenreisen von Anfang bis Ende über mehrere Kanäle hinweg. Auch wenn sich viele Unternehmen Omnichannel auf die Fahnen geschrieben haben; es ist dennoch vielfach ein Flickenteppich vorhanden; Telefon, E-Mail, Chat werden separat geroutet, eine Verknüpfung in Echtzeit zu CRM-Systemen, dem Wissensmanagement ist nicht oder nur rudimentär gegeben und die Kundenreise kann vom Mitarbeiter nicht erkannt werden. Ebenso wenig der Kontext, aus dem der Kunde agiert. Was einen ungeduldigen Kunden mit einer hohen Erwartung an Fachkompetenz, sofortiger Lösung und konsisten- ten Aussagen unabhängig vom gewählten Kanal nicht sonderlich freudig stimmt. Die Zunahme der Kanäle stellt die Unternehmen vor allem technologisch vor ein sehr großes Problem.

Baukastensysteme aus der Cloud sind die Zukunft

Die klassischen ACD-Anbieter können zwar bedingt neben dem Kanal Telefon auch weitere Kanäle wie E-Mail oder Chat routen; eine medienbruchfreie Kundenreise mit einem beliebigen Wechsel der Kanäle lässt sich jedoch nur bruchstückhaft realisieren. Eine Verknüpfung aller relevanten Informationen in Echtzeit, kontextbezogen auf dem Bildschirm des Agenten – Unified Desktop – ist nur mit speziellen Lösungen darstellbar. Das ist jedoch die Anforderung die im Callcenter und Customer Service umgesetzt werden muss. Analog zu slack im Inneren, muss das Unternehmen, ganz gleich über welchen Kanal der Kunde Zugang sucht und welches Anliegen er auch immer hat, ein System bereitstellen, welches zentralisiert die Kundenreisen abbil- det, alle relevanten Daten für den Dialog zusammenführt und den Mitarbeiter bestmöglich in seiner Arbeit unterstützt. Da es keine eierlegenden Wollmilchsäue gibt, ist der Baukastenansatz, bei dem in einer Cloudlösung verschiedene Lösungsanbieter per APIs in Echtzeit miteinander verknüpft werden, die zur Zeit beste Lösung. Da das Marktangebot hier sehr schnell wächst, ist es dann eher die Qual der Wahl, das passende zu finden.

Einen Überblick zu den Anbietern in den verschiedenen Katego- rien gibt es kostenfrei zum download unter:

https://marketing-resultant.de/mediathek-2/


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Harald Henn, Geschäftsführer und Gründer
der Marketing Resultant GmbH, konzipiert und optimiert Callcenter und Customer-Service- Organisationenseinheiten. Der Fokus liegt dabei auf dem Aufbau und der Optimierung von kundenzentrierten Omnikanalkonzepten. Er ist Autor und Herausgeber mehrerer Fachbücher und gefragter Referent auf Veranstaltungen.

henn@marketing-resultant.de
www.marketing-resultant.de

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