Grundsätzlich ist der Kundendialog 4.0 durch zwei Aspekte gekennzeichnet: Zum einen ist er (wieder) im Fokus des Topmanagements angekommen, zum anderen gibt es Instrumente, die die Erwartungen der Kunden und die des Unternehmens in Übereinstimmung bringen. So wird der Kundendialog steuerbar und damit nachhaltig profitabel.

Nachdem der mediale Kundenservice zwischen 2008 und 2011 nahezu vollkommen aus dem Fokus des Topmanagements verschwunden war, wird er bis 2020 in zwei Drittel der befragten Unternehmen strategisch „sehr wichtig“. Davon sind die Befragten von über 180 Unternehmen überzeugt. Denn die Anforderungen sind gerade in den letzten drei Jahren massiv gestiegen: Die Digitalisierung hat neue Touchpoints wie Chat und Self-Service-Plattformen hervorgebracht. Diese gilt es ideal in die bestehenden Abläufe einzubinden und sich Gedanken zu machen, welche Kanäle denn tatsächlich für guten Kundenservice geeignet sind. Das Contact Center hat sich dabei als die geeignete Organisationsform herauskristallisiert.

Doch auch der Druck durch gestiegene Kundenanforderungen trägt zu einer strategischeren Betrachtung des Kundenservice bei. Das ist vor allem mit dem weltweiten Siegeszug des Net Promotor Score (NPS) bei der Messung von Kundenorientierung und Loyalität zu erklären. Heute nutzen schon 38% der Befragten das NPS-System, um auch Service-Center-Interaktionen zu messen, 13% der Unternehmen planen die Einführung des NPS. Der Net Promotor Score – entwickelt von Fred Reichheld vor etwa 10 Jahren – misst aber vor allem die Weiterempfehlungsbereitschaft eines Kunden. Unterschieden werden hier Promotoren, die das Unternehmen aktiv weiterempfehlen, Detraktoren, die Negativempfehlungen aussprechen und Neutrale, die lediglich zufrieden, aber nicht gebunden sind. Die Gebundenheit kommt jedoch durch positive Erlebnisse des Kunden zustande. Eine reines Kostenmanagement des Kundendialogs mit dem Ziel einer minimal ausreichenden Zufriedenheit ist also nicht sinnvoll, wenn man im Topmanagement erwartet, dass das Service Center maßgeblich zu einem hervorragenden NPS beiträgt.

Und die Gestaltung des Kundenerlebnisses wird dabei mehr und mehr zu einer Inhouse-Aufgabe, denn Agenturen und outgesourcte, externe Call Center verfügen weder über das Kundenwissen, noch über die Schnittstellenkompetenz im Unternehmen. Daher ist es vor allem notwendig, zu verstehen, welche „Reise“ der Kunde durchläuft. Die Arbeit mit Personas, welche attraktive Kundengruppen repräsentieren und für die Gestaltung dieser Customer Journey wichtig sind, gehört also zukünftig zum Alltag auch eines Contact-Center-Leiters. Dabei ist es wichtig, relevante Details aus dem Leben der Kunden nachvollziehen zu können: In welchen Situationen beschäftigt sich der Kunde mit unseren Produkten und Dienstleistungen? Inwiefern kann der Kunde alle Aspekte unserer Leistung verstehen? Und welcher Aspekt führt dann zu welcher Nachfrage beim Kunden? Welchen Kundenservice können wir von vorneherein vermeiden, weil wir die zugrundeliegenden Fehler unseres Unternehmens verhindern? Und wie schaffen wir es generell, Unsicherheit, Komplexität und Stress im Kundenkontakt zu reduzieren? Dabei darf nicht vergessen werden, dass sich die Wege des Kunden abhängig von technologischem Fortschritt und zur Verfügung gestellter Kapazität an einzelnen Touchpoints durchaus von Jahr zu Jahr verändern.

Ein toolbasiertes Customer Journey Mapping wird schon deshalb in fünf Jahren zum Handwerkszeug des Customer Experience Managers gehören, um jährliche, aufwendige Excel- oder PowerPoint-Übungen zu vermeiden und um mit der Versionierung von sich systematisch entwickelnden Customer Journeys standzuhalten. Überlegen Sie einmal: Sie arbeiten mit fünf Personas und jede durchläuft nur zwei hypothetische Journeys. Im Jahr 1 nach Ihrer Initialplanung stellen Sie plötzlich fest, dass ca. ein Drittel der Kunden mehr online kaufen. Was heißt das für die Planung Ihrer Customer Experience? Wieviel Zeit verwenden Sie, um alle geplanten Journeys im PowerPoint händisch anzupassen?

Das Schöne am Kundenservice ist in diesem Zusammenhang, dass Unternehmen und Kunden aber ein gemeinsames Ziel verfolgen: Beide wollen dem Kunden möglichst schnell die richtige Antwort liefern. Und das macht es notwendig, zu wissen, warum Kunden über Chat, E-Mail und Telefon das Unternehmen kontaktieren und wie schnell ihnen geholfen wird. Relevante Kennzahl wird dabei die Erstlösungsquote (FCR). Diese liegt nach wie vor mit durchschnittlich über 80% bei den Touchpoints Telefon, Chat und Self-Service am höchsten. E-Mail, Brief und Fax eignen sich eben weniger gut bei der Beantwortung von Serviceanfragen.

Dabei muss aber auch festgehalten werden, dass sich das Unternehmen auf Kundendialoge konzentrieren sollte, die für Kunde UND Unternehmen wertvoll sind. Die von Bill Price entwickelte Value-Irritant-Matrix ist dabei ein sehr einfaches Instrument, wie ein Unternehmen seine Kundendialoge gezielt mit den Möglichkeiten der „Automatisierung“, „Vereinfachung“ gestalten kann. Denn nur, wenn Kunde und Unternehmen ein Interesse an einem persönlichen Dialog haben, werden Werte geschaffen.

Danach wird einerseits aus der Sicht der Unternehmung überlegt, ob diese an einem Kontakt mit dem Kunden unter Service-Gesichtspunkten interessiert ist, weil sie etwas über ihre Produkte und  Dienstleistungen lernen kann, sich dadurch Ideen für Einsparungen ergeben sowie es sich durch den Kontakt eine Chance ergibt, weitere Produkte oder Leistungen zu verkaufen oder eben nicht. Andererseits wird systematisch die Perspektive des Kunden auf den Servicekontakt eingenommen. Ist der Kunde wirklich an einem persönlichen Kontakt interessiert, weil er Antworten auf seine Fragen oder einen Rat bekommt und im Idealfall Geld sparen kann oder sieht er gar keine Notwendigkeit, mit einem Unternehmen in Kontakt zu treten und empfindet den Kontakt als ärgerlich.

Die Grundidee ist es, dass ein Unternehmen analysieren sollte, wo Kunde und Unternehmen gleichzeitig Interesse am persönlichen Kontakt haben. Nur hier kommen wertstiftende Gespräche zustande. Besteht eine Interessendivergenz, hat also der Kunde ein hohes Interesse, eine Problemlösung zu erhalten, das Unternehmen schätzt diesen Kontakt jedoch nur als zusätzliche Kosten ein, sollte der Kontakt automatisiert werden. Das ist vor allem da von Interesse, wo Kunden immer wieder die gleichen Fragen stellen. In diesem Zusammenhang geht es häufig um das Verständnis der Funktionsweise von Produkten und Dienstleistungen, auch Self-Service genannt.

Gleiches gilt für den umgekehrten Fall, dass das Unternehmen darauf angewiesen ist, dass der Kunde einen Kontakt mit dem Unternehmen hat und bestimmte Informationen preisgibt, wie beispielsweise bei einem Check-In oder einer E-Mail-Bestätigung. Derartige Kontakte empfinden Kunden häufig als lästig. Hier gilt es die Kontakte, wie bspw. einen Check-In oder Teilkontakte, wie eine notwendige Identifikation des Kunden möglichst zu vereinfachen. Ein wunderbares Beispiel dafür stellt der YouTube-Service-Kanal der Royal Bank of Scotland (RBS) dar. RBS hat hier zu den häufigsten Service-Vorfällen im Bereich des eBanking ausgesprochen unterhaltsame Erklärvideos produziert, die für den Kunden einen hohen Mehrwert im Self-Service darstellen. Es geht also auch unterhaltsam UND schnell!

Dabei ist es jedoch essentiell, dass ein Kundenservice-Center-Manager weiß, welche Geschäftsvorfälle im Contact Center anfallen und wie die Wertschätzung der Kundschaft für eine rasche Problemlösung aussieht. Für eine solche inhaltliche Ausgestaltung und Steuerung des Kundenservice werden seit 2016 bei etwa 40% der befragten Unternehmen auch Erkenntnisse aus dem analytischen CRM herangezogen. Die technologischen Möglichkeiten haben hier im letzten Jahr einen großen Sprung bezüglich Machbarkeit und Bezahlbarkeit erfahren.

Zusammenfassend gehen knapp 60% der Befragten davon aus, dass der Kundenservice über das Contact Center in den nächsten fünf Jahren strategisch bedeutsamer wird. Was das für die Person des Center-Leiters in Sachen Qualifikation und Bezahlung bedeutet, bleibt jedoch abzuwarten. Sicher ist in diesem Zusammenhang, dass zukünftig andere Anforderungen an die Leitung eines Service-Centers geknüpft werden. Wir sehen das in erster Linie an unserer Hochschule an dem gestiegenen Bedarf an geeigneten Masterabsolventen zum Aufbau von Stabsstellen im Kundenservice.

Marktführende Unternehmen managen auch Innovation im Kundenservice mit eigenen, sehr gut  ausgebildeten Fachkräften. Aber auch die Arbeit mit Kennzahlen, die weit über den Servicelevel oder eine Schichtplanung hinausgehen, die Interpretation von Indikatoren aus Big-Data-Auswertungen und daraus resultierende Vorschläge zur nachhaltigen Verbesserung von Kundenerlebnissen im Servicebereich zu Händen des Vorstands werden in den nächsten Jahren zum Handwerkszeug eines Contact-Center-Leiters gehören.

 


Prof. Dr. Nils Hafner ist internationaler Experte für den Aufbau profitabler Kundenbeziehungen. Er ist Professor an der Hochschule Luzern Schweiz und Alumnus der Studenteninitiative MTP. In seinem Blog „Hafner on CRM“ versucht er dem Thema seine interessanten, spannenden, skurrilen und lustigen Seiten abzugewinnen. Gerade erscheint sein Buch „Die Kunst der Kundenbeziehung – Die besten Ratschläge für ein langfristig profitables CRM“ im Haufe Verlag.

Das Service Excellence Cockpit finden Sie unter www.service-excellence-cockpit.com.

 

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