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Viele Callcenter und Customer Service Center sind in den 90er-Jahren entstanden. Erreichbarkeit am Telefon, Service Level, eine hohe Effizienz, Fallabschlussquoten waren die Zielsetzungen. Durchgetaktete Prozesse, die nach strikten Vorgaben erfolgen und immer gleichbleibend ablaufen, lassen sich durch BusinessProzess-Software-Systeme ideal unterstützen; eine hohe Effizient ist so erreichbar. Ein klassisches Callcenter eignet sich hervorragend für klar und fest strukturierte Prozesse. Diese Callcenter-Strategien neigen sich jedoch dem Ende zu. Neue Konzepte sind gefragt.

Die Digitalisierung macht es möglich, dass Kunden Unternehmen und ihre Leistungen und Produkte auf neue Weise wahrnehmen können. Unternehmen müssen sich heute anders am Markt positionieren. Geänderte Kundenerwartungen in der Kommunikation, die Zunahme der Kanäle, die ständige Verfügbarkeit von Informationen hat zu anderen Einkaufs- und Serviceprozessen geführt. Beben neuen Touchpoints der Kunden mit dem Unternehmen, komplexen Customer Journeys kommen viele, auch sich ändernde, Markt- und Unternehmensanforderungen ins Spiel, welche dem Customer Service, dem Callcenter zunehmend mehr Agilität abfordern.

In vielen Callcentern findet man einen Strauß an Tools vor, die für die tägliche Arbeit gebraucht werden. Sie leisten isoliert und für sich betrachtet jeweils gute Dienste für ihren speziellen Zweck. Aber diese Systeme arbeiten in der Regel nicht oder nur schlecht zusammen. Relevante Informationen zu finden oder wiederzufinden ist dann eine zeitraubende Aufgabe. Und der Austausch mit Kollegen aus dem Back-Office, den Fachabteilungen läuft mehr schlicht als recht. Die ursprüngliche Konzeption der Callcenter sah eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit nicht vor. Die wenigen Fälle, die nicht fallabschließend bearbeitet werden konnten, wurden an eine Fachabteilung weitergeleitet. Organisatorisch wie technologisch und prozessual haben sich Callcenter / Customer-Service-Abteilungen und der Rest des Unternehmens auseinandergelebt.

Es wächst zusammen, was zusammen gehört

Einfache, homogene Kundenanfragen, Geschäftsvorfälle werden zunehmend automatisiert und digitalisiert. Zum Teil übernehmen Chatbots heute bereits diese einfachen Tätigkeiten wie z.B. Statusabfragen, Adressänderungen. Für die Callcenter-Mitarbeiter verbleiben die eher komplexen, zeitaufwendigen Fälle. Diese verbleibenden Aufgaben lassen sich jedoch nicht mehr isoliert im Callcenter lösen. Die moderne, zeitgemäße Customer-Service- / Callcenter-Organisation ist digital und kollaborativ.

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Drei Technologien, die Kollaboration, Effizienz und Kundenzufriedenheit fördern

Es sind im Wesentlichen drei Technologien, die für eine moderne, wissensbasierte Organisation notwendig sind:

  1. Unternehmensweite, kontextbezogene Wissensmanagement-Systeme

2. Dynamische, adaptive Case-Management-Systeme

3. Callcenter-übergreifende Unified-CommunicationFunktionalitäten

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Wissensmanagement: Nur ein informiertes Team ist ein erfolgreiches Team

Wissensmanagement wird dabei zu einer Schlüsseldisziplin für die Unternehmen. Einer der Treiber für diese Entwicklung sind die Kunden. Wenn Sie die Kunden bitten, ihre Probleme mit schlechtem Service aufzuzählen, dann sind unvollständige, falsche oder inkonsistente Antworten die häufigsten Nennungen. Ganz gleich über welchen Kanal Kunden Kontakt aufnehmen, Kunden wollen eine Antwort, die zeigt, dass das Anliegen verstanden wurde und eine Antwort, die das Problem löst.

Die Kontaktaufnahme mit einem Callcenter, mit dem Customer Service kann dabei oft zum Lotterspiel werden, wobei die Kunden, je nachdem, mit wem sie sprechen oder welchen Kanal sie nutzen, eine andere Antwort erhalten. Dies muss nicht unbedingt am Callcenter-Agenten selbst liegen. Es ist möglich, dass der Mitarbeiter einfach nicht die neuesten Informationen zur Hand hat, oder die Antwort basiert auf veraltetem Wissen. Dies führt häufig zu einer Fülle von Problemen, die sich auf die Kundenbeziehungen auswirken und die Kosten erhöhen. da die Kunden erneut Kontakt aufnehmen müssen, um eine endgültige Antwort auf ihre Anfrage zu erhalten.

Wissensmanagement dient dem Kunden und dem Unternehmen gleichermaßen. In den heutigen Zeit mit schnelllebigen Produkten, einer hohen Effizienz und der zunehmenden Anzahl von Kontaktkanälen wird eine einheitliche Wissensbasis wichtiger der je.

Angesichts der unterschiedlichen Kanäle wie z.B. Telefon, Chat, E-Mail, Instant Messenger, die im Callcenter unterstützt werden müssen und der Verteilung des Wissens im gesamten Unternehmen dienen, besteht die beste Lösung darin, dass Wissensmanagement zu zentralisieren und sicherzustellen, dass es über alle Kanäle hinweg von allen Mitarbeitern in allen Abteilungen verfügbar ist. So kann eine und dieselbe Wissensdatenbank die FAQ, den Selfservice auf Ihrer Website unterstützen und für Agenten, die in den Bereichen E-Mail, Telefon, Social Media und Chat arbeiten, sowie dem Back Office verfügbar sein.

Im Idealfall unterstützt das Management diese Werkzeug und sorgt für eine offene Unternehmenskultur, in der Mitarbeiter ermutigt werden, sich aktiv am Entstehungsprozess, der Nutzung von Wissen zu beteiligen.

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Dynamisches Case Management: Der Mensch rückt – wieder – in den Mittelpunkt

Adaptives Case Management oder dynamisches Case Management ist eine neuer Ansatz im Bereich der Prozessunterstützung, der seit einiger Zeit eine zunehmende Aufmerksamkeit erlangt hat. Diese Technologie hat die Möglichkeit, Prozessabläufe in einem Callcenter so abzubilden, dass Mitarbeiter bei der Bearbeitung einer Kundenanfrage unterstütz werden, zugleich aber auch die Freiheit erlangen, außerhalb der sonst üblichen, starren Vorgaben einen Vorfall zu bearbeiten, alternative Wege zu beschreiten, weitere Kollegen in der Lösung einzubeziehen. Dynamische Case Management unterstützt den Entscheidungsfindungsprotess und stellt den Mitarbeiter und seine Entscheidung in das Zentrum des Handels. Dies ist der entscheidende Unterschied zu dem klassischen Business-Prozess-Management-Ansatz, wie er nach wie vor in vielen Callcentern anzutreffen ist. Beim traditionellen, vorgegebenen Ablauf einer Bearbeitung besitzt der Mitarbeiter keine Möglichkeit, von den festgelegten Regeln und Schritten abzuweichen. Für bestimmte Geschäftsvorfälle wird dies auch in Zukunft nach wie vor zutreffend sein. Allerdings werden diese Prozesse aufgrund ihrer Homogenität zunehmend digitalisiert und automatisiert. Das Ziel dieser Prozesse ist primär, möglichst viele Schritte zu automatisieren und so eine manuelle Bearbeitung durch den Mitarbeiter weitergehend zu vermeiden.

Die heutige Komplexität eines Callcenters lässt sich nicht in Flussdiagrammen abbilden

Dynamische, adaptive Case-Management-Lösungen zeichnen den Prozess als eine Art Route-analog zu einem Navigationssystem im Auto- zwar vor, bieten aber die Möglichkeiten, je nach Situation vom Weg abzuweichen, Abzweigungen zu nehmen, um den bestmöglichen Weg für die Bearbeitung und Lösung des Problems zu finden. An welcher Stelle der Callcenter-Agent von einem Prozessweg abweicht, um zu einem späteren Zeitpunkt eventuell darauf zurückzukommen, wird nicht durch die Software-Systeme beschränkt, sondern unterstütz.

Unified Communication: der Klebstoff, der alles zusammenhält

Callcenter und Customer-Service-Organisationen sind keine Inseln. Zusammenarbeit ist über Abteilungsgrenzen hinweg unabdingbar. Es wird immer Geschäftsvorfälle geben, die nicht fallabschließend im Callcenter bearbeitet werden können. Diese Vorgänge, die nur durch Zusammenarbeit mit den Fachexperten verschiedener Abteilungen gemeinsam gelöst werden können, nehmen zukünftig zu. Die Übergabe des Dialogs mit einem Kunden (Telefon, Chat, Co-Browsing-Sitzung), eine gemeinsame Konferenz mit Kunde, Agent und Fachexperte ist in den traditionellen IT-Strukturen eher schwierig zu realisieren, da kaum übergreifende Unified-Communication-Konzepte realisiert wurden, die eine nahtlose Kommunikation über die Grenzen des Callcenters hinaus ermöglichen. Dieser Bedarf wird jedoch mittlerweile von den meisten Anbietern durch entsprechende Lösungen adressiert.


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Harald Henn, Geschäftsführer und Gründer der Marketing Resultant GmbH, konzipiert und optimiert Callcenter und Customer Service-Organisationenseinheiten. Der Fokus liegt dabei auf dem Aufbau und der Optimierung von kundenzentrierten Omnikanal-Konzepten. Er ist Autor und Herausgeber mehrerer Fachbücher und gefragter Referent auf Veranstaltungen. henn@marketing-resultant.de www.marketing-resultant.de

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