Im Customer Service geht es um Convenience, Einfachheit, Zeitersparnis. Sonst nichts. Call Center haben lange dieses Kundenbedürfnis sehr gut erfüllt. Anstatt per Durchwahl einen Sachberater anzurufen oder anzuschreiben, waren Call Center als zentrale Anlaufstelle bequem zu erreichen und für viele einfache Anfragen eine ideale Anlaufstation. Mittlerweile haben sich die Kundenbedürfnisse radikal gewandelt. Mehr als 50% der Kommunikation wird heutzutage von einem Tablet oder Smartphone aus getätigt. Zu Telefon, Fax und E-Mail haben sich neue Kanäle gesellt: WhatsApp, Chat, Videochat, Social Media. Und Kunden sind wählerischer, fordernder, weniger kalkulierbar in ihrem Verhalten. Die heutige mobile, 24/7-, „always on“-Gesellschaft schraubt die Serviceansprüche an den Customer Service immer höher. Dabei soll der Service personalisiert, wertschätzend und so gestaltet sein, dass mit einem einzigen Anruf oder einer einzigen E-Mail das Anliegen erledigt ist. Die Kosten, einen solch geforderten Service mit Menschen in einer klassischen Customer Service-Organisation, einem Call Center, umsetzen zu wollen, sind extrem hoch. So hoch, dass neue Wege beschritten werden müssen. Insbesondere Textchats haben in der täglichen Kommunikation mit Unternehmen stark zugelegt und in einigen Fällen die Kanäle wie E-Mail bereits überholt. Paradebeispiele sind vor allem WhatsApp und der Facebook Messenger. Obwohl eine kommerzielle Nutzung von WhatsApp bislang nicht zulässig ist, haben einige Unternehmen dem Druck des Marktes nicht widerstehen wollen – oder können – und WhatsApp in ihre Service-Kommunikation integriert. Aus dem Blickwinkel des Unternehmens sind Chats ein wichtiger Kanal für die Interaktion mit Kunden geworden. Und wie in allen anderen Kanälen wollen die Call Center oder Customer Service-Verantwortlichen auch hier eine effektive, auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden maßgeschneiderte Kommunikation führen. Mit Mitarbeitern im Call Center ist dies nicht immer effizient und kundenorientiert zu leisten. Textchats sind zeitintensiv, aufwendig, kostenintensiv und nicht ohne weiteres rund um die Uhr zu leisten.

Automatisierung als Triebfeder für Chatbots

Es ist nicht verwunderlich, wenn Unternehmen weltweit auf neue Möglichkeiten setzen, Kundenbedürfnisse und interne Anforderungen an Effizienz besser auszubalancieren. Diese Entwicklung ist nicht grundlegend neu und in der Vergangenheit hat es immer wieder Versuche gegeben, einfache Anfragen zu automatisieren, per Self Service auf den Kunden zu verlagern. Sprachdialog-Systeme der ersten Generation waren allerdings starr, boten wenig Funktonalität und hatten bei der Spracherkennung erhebliche Defizite. FAQ-Seiten waren oft veraltet, in einer Sprache verfasst, die kaum ein Kunde verstand und boten nicht wirklich Abhilfe für die Probleme der Kunden. Jetzt kommt mit Chatbots – auf KI-basierte Systeme – die entweder per Sprache oder Texteingabe vom Kunden bedient werden können, eine vielversprechende neue Technologie, die von Customer-Service-Verantwortlichen mit offenen Armen empfangen wird. Chatbots, virtuelle Assistenten, sind im Grunde genommen nichts weiter als eine Software für die direkte Kommunikation zwischen Mensch und „Maschine“. Kunden tippen über seinen Messenger oder Chat-Dienst eine Frage ein und erhalten vom Chatbot eine Antwort. Für den Kunden ist nicht unmittelbar erkennbar, ob ein Mitarbeiter im Customer Service seine Frage beantwortet hat oder der Chatbot. In Zukunft wird die Eingabe per natürlicher Sprache die Texteingabe möglicherweise weitestgehend ersetzen; Systeme wie Amazon Alexa oder Google Home lassen dies erahnen.

Amazon ALEXA: Katalysator für Chatbots

Die gewohnte Benutzerumgebung des Smartphones macht die Generation der Assistenten – Chatbots – sehr attraktiv. Spracheingabe ist seit der Einführung von SIRI auf dem iPhone zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Alternative Eingabe über einen Messenger wie z.B. Facebook  Messenger ist längst zu einer alltäglichen Gewohnheit für Millionen Kunden geworden – keine neue Technologie, deren Umgang man als Kunde erst mühsam erlernen muss. Sprach- und Texteingabe und deren Erkennung sind heute Basistechnologien, die auf jedem Gerät zur Verfügung stehen. Und Kunden lernen auf spielerische Art und Weise neue Möglichkeiten mit den KI-basierten Chatbots und virtuellen Assistenten. Amazon Alexa entwickelt sich schnell zu einem Verkaufshit. Binnen kurzer Zeit sind mehr als 7 Millionen Exemplare verkauft worden. Und das, obwohl Echo nicht wirklich etwas Neues bietet, was es nicht technologisch ohnehin schon gibt. Es ist (noch) begrenzt in seiner Funktionalität und hat sich dennoch schnell eine große Fangemeinde erobert. Vielleicht, weil es das erste marktübliche Gerät ist, mit dem man locker und ungezwungen Zuhause per Sprachbefehl Routineinformationen abrufen und einfachste, alltägliche Routineprozesse durchführen kann, ohne dabei sein Smartphone oder das Notebook benutzen zu müssen. Die Einfachheit der Bedienung hat mittlerweile mehr als 60 Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen motiviert, entsprechende „skills“ für Alexa zu entwickeln. Banken wie die comdirect in Deutschland nutzen Alexa für einfache Prozesse wie die Kontostandsabfrage. Bei PLANETHOME lassen sich per Amazon Alexa Immobilien bewerten. Mit Systemen wie Amazon Alexa halten Chatbots und virtuelle Assistenten – ohne Berührungsängste auszulösen – schnell Einzug bei den Kunden. Einfache, wiederkehrende Prozesse mit einer überschaubaren, eher geringen Komplexität sind ideal als Einstieg für Chatbots und virtuelle Assistenten. So wie beim Mastercard-Chatbot auf Basis des Anbieters Kalisto. Haben Kunden erst einmal Gefallen an den kleinen, digitalen Helferlein gefunden, lassen sich weitere Prozesse wie z.B. eine Überweisung, ein Zählerwechsel bei einem Energieversorger, das Ändern von Stammdaten bei einer Versicherung, über Chatbots abwickeln.

2018 wird den Durchbruch bei Chatbots bringen

Nicht unterschätzen sollten Unternehmen jedoch den Aufwand, den ein Unternehmen betreiben muss, um einen Chatbot zu trainieren. Wenn die Möglichkeiten von KI voll ausgeschöpft werden sollen, müssen Chatbots und virtuelle Assistenten trainiert werden. Dazu benötigt der Chatbot einige zehntausend Dialoge, aus denen er lernen kann. Chatbot-Anbieter wie lastmile, twyla interactions, cx company, dtms aus Mainz, werden nicht müde, ihren Kunden den notwendigen Zeitaufwand für das Trainieren eines Chatbots oder virtuellen Assistenten zu predigen. Chatbots sind keine Selbstgänger-Technologie. Auch, wenn es viele vollmundige Ankündigungen von Herstellern und die Flut von nahezu täglich neu auf den Markt kommenden Anbietern suggeriert. Und es benötigt ein gehöriges Maß an Erfahrung, einen Chatbot kundenfreundlich und gleichzeitig produktiv für das Unternehmen zu gestalten. Fragen des Antwortzeitverhaltens oder des Übergangs an einen Agenten in einem Call Center, wenn der Chatbot nicht mehr weiterkommt, sind nur zwei der vielen Themen, die zu berücksichtigen sind.

In 2017 sind viele Pilotprojekte gestartet worden, Chatbots im Customer Service einzusetzen. Teils auf Basis des Facebook Messengers, wie z.B. dem Opel Probefahrtassistent, teils auf Basis eines Textchat-Systems auf der Internetseite oder auf Basis von Amazon Alexa. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. Sowohl bei der Akzeptanz auf Kundenseite als auch bei den Unternehmen, die sich erhebliche Kosteneinsparpotentiale versprechen. Auf breiter Front wird 2018 und in den Folgejahren mit dem Einsatz von Chatbots zu rechnen sein. Unternehmen haben dabei die Auswahl aus verschiedenen Anbietern. Eine Übersicht zu potentiellen Anbietern gibt es hier als kostenfreien Download in der Präsentation „Customer Service Landscape“.

 


Harald Henn, Geschäftsführer und Gründer der Marketing Resultant GmbH, konzipiert und optimiert Call Center- und Customer Service-Organisationseinheiten. Der Fokus liegt dabei auf dem Aufbau und der Optimierung von kundenzentrierten Omnikanal-Konzepten. Er ist Autor und Herausgeber mehrerer Fachbücher und gefragter Referent auf Veranstaltungen.

henn@marketing-resultant.de
www.marketing-resultant.de

 

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